Liebe Oberschichtler,

ihr habt es wirklich schwer: Wo kann man heute noch seinen Heli landen, ohne dass nervige Anwohner nach einer Bürgerinitiave schreien (und die dann auch bald gründen)? Wie soll man im Berliner Hauptbahnhof eine Auster schlürfen, wenn draußen so ein verwarloster Unterschichtler vorbeischlurft?

Aber das Oberschichtendasein hat (Gottlob noch) Vorteile. Man kann sich einen Restaurantbesuch leisten und muss die Flasche Wein nicht in der S-Bahn trinken. Man lässt seinen Hund ausführen und kümmert sich wenig um Haufen, Bisse und was weiß ich. Und man riecht nach Parfüm und nicht nach gestern Abend.

Nun scheinen sich aber Ober- und Unterschichtler nicht wirklich zu vertragen. Es sind halt doch unterschiedliche Lebensauffassungen. Lebensstile. Punk vs. Boheme. Asozial statt Kapital. Bierflasche statt Cocktailglas. Currywurst statt Starbucks.

Berlin befriedigt beide. Der Hauptbahnhof samt Regierungsviertel ist nichts für Unterschichtler. Die belästigen nur den Touristen mit ihren ewigen Fragen nach nem Fahrschein. Genauso gehört der Oberschichtler nicht in die authentischen Gegenden Berlins. Kaschmir am Ostkreuz wird nicht gern gesehen. Anzüge eigentlich gar nicht.

Und das mit den Ghettos, für Arme wie Reiche, ist auch gut so. Was bleibt dem Ghettobewohner denn noch, wenn er selbst das nicht mehr hat? Wie soll sich der Reiche denn definieren, wenn er aus Charlotteburg in den Osten wandern würde? Oder der Arme, der plötzlich eine Wohnung in Potsdam bekommt? Ghettos und Klischees, die sind schon gut so.

Noch ein Wort an meine geschätzten Kommentierer: Es hat wenig mit Kulturschock zu tun, wenn man dafür plädiert, dass Menschen ihre Würde behalten sollen. Das ist Ausdruck von Kultur, das Würdevolle, das sich-nicht-gehen-lassen. Wer die (kulturlosen) Trends predigt, wird nichts ändern. Er wird an seiner Realität scheitern. Denn eine Gesellschaft ohne Kultur muss scheitern. Und das ist keineswegs ein Plädoyer für die Neo-Liberalen, sondern das ganze Gegenteil.