Frankfurter Rundschau im Tabloid – gelungen

Es gibt ja eigentlich gar keine Alternative mehr zum Tabloid-Format: Die Welt-Kompakt hat es vorgemacht, und jetzt also die Rundschau. Eben an der Tanke gekauft und schon begeistert. Handlich, übersichtlich, inhaltlich ohnehin gehaltvoll – so muss Zeitung der Zukunft mindestens mal aussehen. Der Lokalteil als eine Art zweites Buch ist eine gute Idee. Im Layout hat man sich genügend Luftigkeit verordnet, um gut lesbar zu sein und genügend Kompaktheit, um reichlich Information zu bieten. Gerade kleine Rubrikenüberschriften machen die Navigation reich. Während manche andere Zeitungen noch immer in fetten bunten Kästen als Lesehilfe denken, schafft es die FR ganz modern, mit etwas Weißraum schon genügend Abgrenzung zu schaffen. Rein optisch bietet die FR derzeit den größten Lesespaß bei deutschen Tageszeitungen.

Was leider völlig fehlt, ist eine Online-Verbindung. Ein kleiner “Blog”-Kasten auf der Bronsik-Leserbriefseite macht das nicht wett. Auch nicht in den Ressorts die Nennung der Internetadresse. Nun ist die FR nicht gerade Vorreiter bei innovativen Online-Konzepten, ich hätte aber die Chance mir nicht nehmen lassen, wenigstens ein wenig eine Verknüpfung zu Online zu schaffen.

Auf einem Seminar neulich hörte ich den schlauen Satz, es gäbe nur deshalb nicht mehr Tabloid-Zeitungen in Deutschland, weil die Verleger schlicht Angst hätten, diese Entscheidung auch durchzuziehen. Selbst die Welt hat ja nur einen Young Urban Professional Ableger geschaffen. Da ist was dran. Denn tatsächlich hat scih das Leseverhalten geändert, auch die Orte, an denen gelesen wird. Es ist bisweilen schon ironisch, wenn die FAZ im Flugzeug verteilt wird – auch in der Eco.

Dazu eben bei der Taz folgendes Zitat gefunden:

“Wir bekamen aus der Leserforschung immer den Hinweis: Die Leute mögen unseren Journalismus, unsere engagierte Art, an die Themen heranzugehen. Aber das altmodische große Format passte einfach nicht mehr zu ihrem Lebensstil”, sagt Independent-Chefredakteur Simon Kelner (50).

Leider suche ich gerade einen Abohinweis – den hat mal wohl in der Aufregung vergessen. Ein Probeabo lohnt sich auf jeden Fall. Das findet man dann – online!

17 thoughts on “Frankfurter Rundschau im Tabloid – gelungen”

  1. Keine Alternative mehr zum Tabloid? Ist mir was entgangen? Eben am Hauptbahnhof habe ich gesehen, dass nahezu alle deutschen Zeitungen NICHT als Tabloid erscheinen. Es ist nicht so, dass nur die letzten Nachzügler am großen Format festhalten.
    Zugegeben, das Format hat seinen Reiz und seine unbestreitbaren Vorteile. Aber ist nicht die Formatumstellung der Rundschau vielmehr ein Experiment mit ungewissem Ausgang als das Aufzeigen einer Alternativlosigkeit? Ich persönlich wünsche mir, dass die Rundschau damit nicht baden geht.

  2. Die Zeitungen, wie oben geschrieben, stellen nur deshalb nicht um, weil sie Angst vor ihren Stammlesrn haben. Die mögen Veränderungen nicht. Die Rundschau hatte da kaum noch was zu verlieren. Aber neue Leser bekommt man nur mit a) Tabloid und b) mehr Ratgeber (!), Service, Infos – und nicht Nachrichten von gestern. Tabloid spart nicht nur Kosten, sondern wird auch den Lesegewohnheiten gerechter. Denn anders als manche Verleger glauben haben sich Leser geändert. Sie verwenden weniger Zeit für die Zeitung. Ich kann verstehen, dass man sich noch zurückhält bei den großen Verlagen – aber letztlich wird man nicht anders können – weniger Ausnahmen wie Zeit und FAZ villeicht abgesehen.

  3. Dann wird ja sicher bald das massenhafte Umstellen anfangen. Wir werden sehen.

  4. Wenn ich auf den Gassen und in den U-Bahn-Steigen sehe, wie viele gerade jüngere Leute eilig mit Billigkaffee in Plastikbechern durch die Gegend hetzen (als gäbe es kein Morgen mehr), dann kann nur noch Tabloid gehen: In einer Hand den schlechten Kaffee, in der anderen das Mobiltelefon, wo soll da noch eine Zeitung im klassischen Großformat hin?

    Ich bin mal gespannt, was meine Eltern dazu sagen, die sind Rentner und lesen jeden Tag die FR… ich selbst lese außer ab und zu der “Zeit” keine (Offline-) Zeitungen mehr.

    Wenn die Zeit dereinst mal auf Tabloid umstellte, würde mich das zumindest nicht stören.

  5. Man möge mal hier ein wirkliches Argument gegen Tabloid sagen: Weniger Inhalt muss nicht sein, wie die FR beweist. Nur weil es anders ist? Weil sich was verändert? Himmelherrgott, dann können wir auch weiterhin FCKW-Kühlschränke benutzen und unsere Frauen schlagen. Manchmal ändern sich Dinge eben, man gewinnt Erkenntnisse. Zum Beispiel, warum jüngere Leute (also unter 50) weniger Zeitungen lesen. Eben auch wegen des Formats. Und wegen des Layouts auch. Ach: Vorschläge sind willkommen, wie man sonst die Krise der Zeitungen aufhalten will. Ich höre nur immer: Nichts machen und hoffen dass es noch bis zur Rente reicht.

  6. Naja, ein Bauchraus-Gefühl hat schon immer wenig geholfen, eine Sache gründlich zu analysieren.

    Das Tabloid-Modell einfach so auf Deutschland mit seiner gewachsenen Zeitungsstruktur zu übertragen, ist wahrlich riskant. Es sind doch Efahrungen, die in Großbritannien gemacht wurden, vor allem in der Londoner Region, in der täglich eineinhalb Millionen auf Achse sind – auf Bahnachse. Da kann man noch eher lesen als in der Region Ffm, wo eine Tour mal eben über im Schnitt fünf Stationen reicht.

    Und schließlich muss die Rundschau noch den Beweis antreten, dass der Umstieg gelungen ist, dass man damit die Ziele erreicht hat, die man erreichen wollte. Also, auf Wiedersehen in einigen Monaten.

    Zum Layout und der nicht gelungenen Anpassung der Inhalte an dieses neue Format ließe sich auch noch eine Menge sagen. Aber – Schwamm drüber. Das gibt sich vielleicht noch.

    Der Aufmacher wurde klar geplant und nicht aktuell geschrieben – wie die meisten anderen Storys ebenso. Die FR muss den Beweis erst noch antreten, dass sie die Leistung der heutigen Ausgabe im täglichen Geschäft noch schafft.

    Bei der derart geringen Zahl an Anzeigen in der ersten Ausgabe, der Fülle an gekauften Storys (vor allem die Interviews und Hintergrundberichte) und der schlecht erkennbaren Anzeigen (Frankfurtteil) kann diese Traditionszeitung das leider auf Dauer nicht durchhalten. Und noch mal Anzeigen: Die Preise purzeln im Tabloid in den Keller.

    Crossmedia: Ich würd mal sagen, das gibt es in der neuen FR nicht.

    Und zu allerletzt: Mir doch egal, ob ich Rittersport, Toblerone oder eine 100-Gramm-Tafel von Suchard verfresse. Hauptsache Schokolade!

  7. Das hat nichts mit Bauchgefühl zu tun: Ja, Anzeigen könnten mehr sein, wobei im Tabloid eben die Ganzseite stärker kommt – da müssen eben auch die Agenturen nachziehen. Mir ist jede Innovation lieber als das ewige Genörgel an neuen Dingen. Und wieder bleibst auch Du die Antwort schuldig, wie es so erfolgreich weitergehen soll wie bisher. Es sei denn, es gibt gar keine Probleme.

    Aber der Schokovergleich gefällt mir.

  8. Wir halten einmal fürs Protokoll fest: Am Normalformat festhalten ist so wie Umweltsau sein oder Frauen schlagen. So so.

    Und Innovation ist schon deshalb gut, weils eine Innovation ist. Aha.

    Mir fallen spontan drei Dutzend Innovationen ein, die nichts als Unglück über die Menschen gebracht haben. Die Rundschau zähle ich übrigens nicht dazu, nicht einmal im Halbformat.

  9. Nein, beantrage Protokolländerung: Es geht um die Einstellung zu Veränderungen. Thats what I mean, um auch noch die deutsche Sprache langsam durch die englische zu ersetzen 🙂 Darum, Mut zu haben, Dinge erstmal grundsätzlich zuzulassen und nicht den Oberbedenkenträger zu spielen.

  10. Bitte bei der Sache bleiben: Ich nörgelte hier nicht über neue Dinge, sondern darüber, dass sie nicht gelungen sind. Ein Riesen-Unterschied. Ich muss ja auch per se nicht eine Sache gut finden, nur weil sie neu ist! *Das* ist die sachliche Einstellung zu Neuerungen.

    Die Verleger haben doch nicht Angst vor Neuerungen. Die haben Angst vor dem Verlust ihrer noch funktionierenden Geschäftsmodelle. Und so lange die nur die Verpackung ändern – sorry, wo ist da die große Innovation?? Das ist keine Innovation!

  11. Um nochmal Stoff reinzubringen: Tabloid ist keineswegs eine Neuerfindung und gibt es nicht nur in Großbritannien. Ob Kleine Zeitung, weiland die Woche – es gab und gibt immer welche. Also ist Tabloid weder pauschal richtig noch falsch. Für die Rundschau denke ich ist es richtig, weil nur so – und man möge mir Alternativen nennen – neue Ledser gewonnen werden können. Die Ãœberalterung der Leserschaft ist ein Dilemma, gerade weil sie auf Änderungen allergisch reagieren. Aber wer soweit unten war wie die FR, hat damit auch eine Chance. Letztlich gibt es keine Wahrheit, sondern nur unternehmerisches Risiko. Und ja, die Verleger haben Angst: In Sachen Internet ist man hierzulande – Ausnahmen abgesehen – sehr zögerlich. Man schaue sich Alexander Svennsons Liste an. Hier und da macht man was in Sachen Crossmedia, aber auf sehr niedrigem Level, selten mit Geld ausgestattet. Nach dem Motto: Wir haben jetzt auch mal ne Videokamera gekauft.

  12. So, was die Rundschau angeht, sind wir uns also inzwischen einig: Es handelt sich nicht um der Weisheit letzter Schluss, sondern um einen Versuch im Rahmen unternehmerischen Risikos. Wie gesagt, ich hoffe, sie hat damit Erfolg und sichert zumindest ihr Ãœberleben.

    Und was die Zögerlichkeit der Verleger beim Online-Engagement angeht, so glaube ich, dass sie generell klug (beraten) waren, sich nicht allzu husarenhaft am großen Geldverbrennen zu beteiligen.
    Natürlich wurden beim Zögern auch Fehler gemacht, aber der größere Fehler wäre gewesen, volle Pulle auf Online zu setzen und dabei Kopf und Kragen zu riskieren.

  13. Sicher, die FNP war klug, nicht wie die Schwester FAZ die Kohle aus dem Fenster zu werfen. Nur glaube ich, dass viele stehengeblieben sind: Sie haben was in Online, aber kaum eine Strategie. Es gilt jetzt, die Wege zu ebnen für die Zukunft. Und da braucht es Geld. Nochmal: Man möge mir einen anderen besseren Weg aufzeigen…

  14. Welches der “bessere Weg” war, weiß man doch meistens erst hinterher, das ist ja das Blöde, dass das Leben so lebens-gefährlich ist.

  15. Aber wird nicht viel zu sehr auf das Format der Zeitung geachtet? Ist es wirklich das, worauf es ankommt?

    Ist das Problem nicht vielmehr da zu suchen, dass immer mehr Menschen alles das, was morgens in der Zeitung steht, schon längst aus dem Fernsehen kennen, und zwar vom vorigen Abend? Oder dass sie es sich schon via Internet aus diversen Quellen zusammengelesen haben?

    Kann es nicht sein, dass die Zeit der Tageszeitung in Papierform vorbei ist, im Gegensatz zur Zeit des Buches? Dass es neue Formen der Informationsvermittlung braucht? Gibt es die vielleicht schon, aber derzeit noch nicht in der richtigen, massenträchtig etablierten Form?

    Meine Eltern (ich erwähnte sie weiter oben…) sind z.B. in dem Sinne noch klassische Zeitungsleser, weil sie morgens zum Frühstück die FR durchkämmen. Der Fernseher bleibt zu diesem Zeitpunkt noch lange aus. Sie nutzen auch nicht das Internet zum allgemeinen Informationserwerb.

    Bei mir dagegen ist regelmäßig das letzte, was ich an Information vor dem Bett eintüte, ein abschließender Blick in den ARD- oder ZDF-Videotext wegen letzter Schlagzeilen. Morgens früh sind dann schnell diverse Internetquellen befragt nebst meiner Feedliste und ich bin auf dem neuesten Stand.

    Eine Frankfurter Rundschau o.ä. hat für mich schlicht kaum noch einen Sinn, bestenfalls noch eine Wochenzeitung wie die “Zeit” zum resümierenden ausführlicheren Wochenüberblick.

    PS: Ich habe aber trotzdem heute mal eine FR gekauft, um mal zu schauen, was das Format für mich hergibt…

  16. Und noch ein Gedanke dazu, Boris: Natürlich ist das Format nicht alles. Nur zwingt Tabloid auch den Inhalt zu ändern. Ich denke – und da bin ich nicht allein – dass die Zeitung mehr Magazin werden muss, mehr Analyse, auch Ratgeber, Lebenhilfe, und weniger so tun, als ob eine Nachrichte aktuell ist, die bei Drucklegung schon uralt war. Mehr eigene Inhalte statt nur Agentur, mal wieder raus gehen. Ist doch eigentlich schön für Journalisten..

  17. Mehr Magazin mit dezidierten Schwerpunktthemen ist sie ja tatsächlich geworden, wie ich mich inzwischen in zwei Ausgaben überzeugen konnte. Insofern geht mit der formalen Änderung auch eine neue inhaltliche Schwerpunkt-Setzung einher.

    Damit kann das Blatt tatsächlich gewinnen: eben genau, wenn das neue Format nicht bloß “der Form halber” eingesetzt wird, sondern einen inhaltlichen Perspektivwechsel begleitet. Und wäre das dann nicht wieder einmal ein schönes Beispiel für “Form follows Function”?

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