Wie journalistische Texte bald beschaffen sein werden

Der von mir hochgeschaetzte Jan-Eric Peters (Chefredakteur der WELT) hat es neulich auf den Punkt gebracht: In der WELT stehen in Zukunft entweder lange Lesestuecke oder kurze Nachrichten. Mitteldinger wired es niche mehr geben.
Ich habe neulich fuer einige Webseiten Texte geschrieben, und dab gemerkt, wie die betreuenden Redakteure noch immer sehr in Print denken. Wer einen journalistischen Text auf einer Webseite schreibt, muss anderen Anforderungen genuegen als in der Zeitung. Zum einen ist Laenge ein Kriterium. Ich glaube schon dass lange Stuecke eine Zukunft haben, allerdings muessen sie anders aufbereitet werden. Es muessen wirkliche LESE-Stuecke sein. Reportagen zum Beispiel.
Viel wichtiger ist aber die Medienfrage. Wer heute im Internet Nachrichten konsumiert, will sie kompakt haben. Fakten, Fakten, Fakten. Und wichtig: Video hat immer Vorrang. Wenn ich ein Video zu einer Geschichte habe, kann ich mir das Schreiben sparen. Dann nur noch Fakten in den Text (fuers SEO), Links, etc. aber nicht das Video nochmal nacherzaehlen.
Gleiches gilt fuer Audio: Wenn ich den Polizeichef zur Geiselnahme interviewe lade ich das MP3 hoch und fasse den Inhalt nur kurz zusammen.
Leider ist das heute immer noch Ausnahme, weil die meisten Printjournalisten sich eben als Schreiber verstehen. Gemacht wird was man gelernt hat.
Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum sich viele so schwer tun mit der neuen Aufbereitung von Artikeln. Irgendwer hat neulich gesagt (ich glaube es bei Turi2 gelesen zu haben), dass Journalisten mal den Hubschrauber verlassen muessen, aus dem sie uns die Welt erklaeren. Wir Leser sind nicht so dumm wie man uns immer glauben machen moechte. Wir sehen dass einen chilenischer Bergmann aus der Kapsel steigt, wir brauchen keinen Reporter, der sagt “er steigt jetzt aus der Kapsel”. Und man muss uns auch nicht 300 Mal erklaeren, was es mit der Kapsel auf sich hat, nur weil noch Sendezeit uebrig ist und die Schalte teuer ist.
Es reicht uns entweder die Fakten zu geben ueber die wichtigen Ereignisse, oder Meinungen, Hintergruende und Neues.
Viele Journalistenkollegen hier in Asien tun sich schwer, Geschichten zu verkaufen, die abseits der Klischees und des Mainstream sind. ein kleines Beispiel: Wann immer ueber Kambodscha berichtet wird, wird vom Trauma gesprochen, das die Kambodschaner haben. Das mag in den 80ern so gewesen sein. Nur ist die Generation der 30jaehrigen heute nach dem Schreckensregime der Khmer Rouge geboren. Und stellt 60 Prozent der Bevoelkerung. Die meisten Kambodschaner haben das Thema nicht einmal in der Schule behandelt.
Liest man solche Geschichten in Deutschland? Ich glaube schon, wenn Medien den Mut haetten eben mal abseits des Mainstreams zu berichten.
Zurueck zum neuen Schreiben: Wenn die Tablet-PCs wirklich durchschlagen, und ich glaube dran, dann werden wir neuen Lesespass erfahren (und damit Lesestuecke auch dankbar annehmen), aber wir werden wenn es um Ueberblicke geht, was in der Welt los ist, die Wuerze in der Kuerze suchen. Video, Diashow (NICHT Klickstrecke), Audio, Text – ist die neue Reihenfolge, wenn es um Nachrichten geht. Mein Rat an Redaktionen: Gebt den Reportern endlich Kameras in die Hand, nicht nur der Multimedia-Volontaerin.
Uebrigens schade, dass man das bei der Welt noch immer ncht beherzigt. Video ist immer noch eine Randerscheinung und trotz der guten Arbeit der Springer-Akademie nicht online fest verankert. (Disclosure: Ich habe 2006/2007 den Bereich Video und Audio bei Welt Onlone mit aufgebaut).

Ein kurzes faktenreiches Stueck ist besser als eines, dass nach klassischen Kriterien geschrieben sein mag, aber online keine Sau interessiert. Artikel der agenturen zum Beispiel sind fuer Print, nicht notwendigerweise fuer Online. Ich mag es wie CNN das bisweilen aufbereitet.
Ich habe willkuerlich bei Welt eine Geschichte rausgepickt (nicht dass sie schlecht ist, es ist einfach nur ein Beispiel)

An einem Bach in Niedersachsen sind am Sonntag die Leichen zweier Jugendlicher gefunden worden. Bei den Toten handle es sich um einen 13 Jahre alten Jungen und ein Mädchen im Alter von 14 Jahren, sagte ein Polizeisprecher. Beide seien Opfer eines Kapitalverbrechens geworden. Weitere Einzelheiten nannte der Sprecher nicht. Man stehe erst am Anfang der Ermittlungen. Die Spurensicherung in der Nähe von Bodenfelde im Landkreis Northeim und die Suche nach dem Täter hätten jetzt Vorrang. Die Staatsanwaltschaft werde sich erst am Montag auf einer Pressekonferenz Uhr in Northeim zu dem Fall äußern.

Ich denke es reicht voellig, das kurz zu bringen:
– 2 Tote Jugendliche in Bach bei Bodenfelde (Landkreis Northeim) gefunden
– 13 Jahre alter Junge und 14 Jahre altes Madechen
– Kripo geht von Gewaltverbrechen aus
– Story wird staendig aktualisiert, wenn wir neue Nachrichten haben

Das reicht. Man muss nicht unbedingt sagen dass man nicht mehr weiss oder was der Sprecher sagt. Besser ist es die Geschichte abzudaten. Und ob ein Kamermann der irgendwo im Wald filmt, ein aussagekreaftiges Bild ist, sei dahin gestellt.

Ich denke, man muss online viel mehr out-of-the box denken als das bisher gemacht wurde.

One thought on “Wie journalistische Texte bald beschaffen sein werden”

  1. Boah, da bin ich ja sehr gespannt, ob das sich wirklich so durchsetzt und auf welche Resonanz das stößt. So wirklich weiß ich nicht, ob ich mich damit anfreunden kann. Aber mal sehen, was kommt.

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