UPDATE: Und dann hat mich die Geschichte eingeholt. Ich stehe zu den zunächst gemachten Äußerungen und dass der Spiegel nicht wirklich etwas in der Hand hatte. Das sieht jetzt anders aus, extrem anders, auch weil sich nach meinen Informationen die finanzielle Situation des Veranstalters extrem geändert hat. So ist das halt: Dinge ändern sich mit der Zeit.
Ursprünglicher Artikel:
Der Disclaimer vorab: Mein Bruder ist Pressesprecher der Firma, die Afrika-Afrika veranstaltet. Er hat mich weder gebeten hier zu bloggen, noch mache ich das um ihm oder seiner Firma einen Gefallen zu tun. Ich kenne den Zirkus Afrika-Afrika von einigen Besuchen, auch hinter der Bühne. Die folgende Geschichte ist ein Lehrstück tendenziösen unseriösen Journalismus, für den der Spiegel ja durchaus bekannt ist. Es zeigt, wie Journalisten lieber Fakten ignorieren als eine Geschichte sterben zu lassen, die sie sich so schön zurechtgelegt haben.
Heute erschien im Spiegel ein Artikel unter der Ãœberschrift “Billiglöhne für die Artisten der Show “Afrika! Afrika!”?”
In typischer Spiegelschreibe wird versucht, den Eindruck zu erwecken, die Künstler müssten für sehr wenig Geld arbeiten. Von gerade mal 400 Euro Wochenlohn ist die Rede. Und davon, das manche Künstler mehr bekommen als andere. Das Fragezeichen in der Headline hat man wohl gemacht, weil man sich vielleicht doch nicht ganz sicher war.
Nun, hier mal die Fakten, die dem Spiegel vorlagen, die aber wohl leider nicht mehr ins Layout gepasst haben.
Bei einem Treffen am 18.12.2007 in München sprachen Matthias Hoffmann (Vorstand der Prime Time Entertainment AG, die AFRIKA! AFRIKA! produziert), Robert Hofferer (Artevent GmbH, Wien und Manager von André Heller) sowie Michael Wanhoff mit Spiegel-Redakteur Eisenack über die Vorhaltungen. Zeitweise anwesend war Georges Momboye, der künstlerische Leiter der Produktion.
Bei dieser Zusammenkunft wurden alle Vorhaltungen nach Angaben von Afrika-Afrika nicht nur entkräftet, sondern vollumfänglich widerlegt. “Wir gewährten Herrn Eisenack Einblick in hochvertrauliche Dokumente (Gagenliste der Künstler), legten ihm Verträge vor und leisteten eine nicht unbedingt selbstverständliche Kooperation (weil wir hierbei auch Informationen preisgaben, die wettbewerbsrelevat sind)”, so mein Bruder.
Am 17.1.2008 besuchte Spiegel-Mitarbeiterin Merlind Theile den Zirkus zur Premiere in London. “Auch an diesem Tag wurden alle Fragen beantwortet”, so Afrika-Afrika.
Nun zu den jeweiligen Artikelstellen:
Zitat: “Der Wochennettolohn der Tänzer beträgt 400 Euro. Wenn die Show gut läuft wie zuletzt in München, muss das Ensemble täglich zweimal auf die Bühne. Für diese Zusatzvorstellungen gibt es jedoch nur 50 Prozent eines Tageslohns. Branchenkenner finden das insgesamt zu wenig. “Für Zirkuskünstler muss man in der Regel mindestens 300 Euro pro Tag rechnen”, sagt etwa Bernhard Paul, Direktor des Zirkus Roncalli.”
Dazu Afrika-Afrika Sprecher Michael Wanhoff:
“Diesen Punkt haben wir bis zum Umfallen wieder und wieder dargelegt: 400 Euro NETTO beträgt die Mindestgage pro Woche (wir zahlen Gagen, keine Löhne, da die Künstler Freischaffende sind und keine Arbeitnehmer – auch x-Mal vorgetragen), die nur für einfache Cast-Member gilt. Dies bedeutet, dass die viele Künstler mehr verdienen und zweitens, dass es sich hierbei um eine NETTO/NETTO-Gage handelt. Wider besseres Wissen nimmt der SPIEGEL dann auch noch die Expertenmeinung von Bernhard Paul auf, verwechselt aber bewusst Äpfel mit Birnen, denn:
Bei AFRIKA! AFRIKA! werden die Kosten für Unterkunft (Appartements), Verpflegung, Bus/Bahn, Unfallversicherung, Krankenversicherung, Künstlersozialkasse und sogar Ausländersteuer komplett vom Unternehmen getragen. Das ist weder bei Roncalli so, noch sonst irgendwo üblich. Wir haben unzählige Male dies betont, sogar Vergleichsrechnungen aufgezeigt und dargelegt, dass unsere Künstler netto mehr verdienen als etwa Journalisten. Trotzdem vermischt DER SPIEGEL Netto- und Bruttosummen und erzeugt hierbei ganz bewusst und in voller Absicht einen Vorwurf, der eben gut in den Artikel passt (“Inhaltsverzeichnis: “Billiglöhne für die Artisten von AFRIKA! AFRIKA!”).
Gut macht sich auch immer die Diskriminierung:
Zitat: Bessergestellt sind bei Hoffmann die wenigen farbigen Artisten aus Europa und den USA, die deutlich höhere Gagen als ihre afrikanischen Kollegen bekommen. Im Fall eines französischen Breakdancers rechtfertigt sich der Produzent damit, dass dieser Künstler in Paris hohe Lebenshaltungskosten habe. Sein südafrikanischer Kollege habe diese nicht, weshalb er auch weniger Gage erhalte.”
Dazu die Gegenseite:
Völliger Unfug, auch diesen Vorwurf haben wir mehrfach gegenüber Herrn Eisenach ausgeräumt. Erstens hat der französische Artist eine Familie in Paris zu ernähren, zweitens ist er länger bei AFRIKA! AFRIKA! als sein neu hinzugekommener Kollege. Selbst Beamte in Ballungsräumen bekommen mehr Gehalt als solche, die in ländlichen Regionen Dienst tun. Die Künstler aus den USA erhalten eine andere Gage, weil sie eine völlig andere Darbietung zeigen und als King Charles Troupe eine weltweite Bekanntheit haben.
Und Gewerkschaften dürfen natürlich auch nicht fehlen, wenn es um die Rechte der Unterdrückten geht.
Zitat: “Die Gewerkschaft Ver.di sieht diese Ungleichbehandlung kritisch. Gehaltsunterschiede dürften nicht mit der Herkunft der Künstler begründet werden, “da die Beschäftigung nach deutschem Recht erfolgt”, so Wolfgang Paul, Leiter der Ver.di-Fachgruppe Theater und Bühnen. Die Afrikaner könnten nach dem deutschen Gleichbehandlungsgesetz klagen, meint Paul.”
Antwort Afrika-Afrika dazu:
DER SPIEGEL begründet angebliche Gehaltsunterschiede mit der Herkunft der Künstler, nicht wir. Bei uns gibt es keine Diskriminierung. Auch verschweigt DER SPIEGEL seinen Lesern und Herrn Paul von ver.di, dass sämtliche Künstler Freischaffende sind und keine Beschäftigten im Sinne des AGG. Also ist ver.di hierbei zwar ein interessanter Gesprächspartner wenn es um Belange von Angestellten geht, nicht aber um freischaffende Künstler.
Und wenn die armen Künstler dann auch noch bestraft werden, ist das Maß wohl voll (und die Geschichte für einen Spiegelschreiber rund).
Zitat: “Völlig unangemessen” findet der Ver.di-Mann die Strafgelder, die Hoffmann seinen Artisten bei Fehlverhalten aufbürdet. Wer verspätet zu Terminen kommt oder im Hotel zu laut ist, erhält 50 bis 100 Euro weniger Lohn. “Bad behaviour in the bus” wird ebenfalls mit 50 Euro bestraft. 30 Euro kostet es, wenn man Freunde in den Backstage-Bereich mitnimmt. Insgesamt umfasst der Strafenkatalog 18 Punkte mit Geldbußen zwischen 20 und 100 Euro.
Antwort Michael Wanhoff:
Auch wir finden die Strafgelder, die uns etwa der Bußgeldkatalog bei Ãœbertretungen im Straßenverkehr aufbürdet, völlig unangemessen. Nur verhält es sich bei AFRIKA! AFRIKA! ein wenig anders: Die Penalties sind mit den Künstlern abgestimmt und jeder der Künstler hat zugestimmt, diese Strafen bei Fehlverhalten zu akzeptieren. Auch Bayern München “bestraft” seine Spieler, wenn diese nach einer durchzechten Nacht im P1 zu spät oder vielleicht gar nicht zum Training kommen. Und auch ver.di wird seinem eigenen Mitarbeiter, der – aus welchen Gründen auch immer – die hauseigene Kantine zerlegt, keine Beförderung versprechen.
Die Londonreise von Frau Theile hatte in diesem Punkt etwas Gutes: Sie konnte sich vor Ort überzeugen, was mit den Strafgeldern passiert. Aus den in rund 1 1/2 Jahren aufgelaufenen Bußgeldern wurden Profi-Fitnessgeräte im Wert von 14.000 Euro angeschafft (hierbei hat das Unternehmen natürlich noch etwas zugeschossen), die den Künstlern im Backstagebereich zur Verfügung stehen (selbstverständlich instruiert unser eigener mitreisender Physiotherapeut die Artisten hierbei). Es war Herrn Einsenack und Frau Theile bekannt, dass die “Bußgelder” den Künstlern wieder in voler Höhe zugutekommen.
Um einmal darzulegen, wie sich das Einkommen der Künstler gegenüber einem durchschnittliche EInkommen eines deutschen Angestellten verhält, folgende Aufstellung:
Arbeitnehmer Künstler AFRIKA! AFRIKA!
Monatliches Bruttogehalt: 3077,00 EUR
Lohnsteuer: 577,50 EUR
Kirchensteuer: 46,20 EUR
Solidaritätszuschlag: 31,76 EUR
Krankenversicherung: 256,93 EUR
Pflegeversicherung: 26,15 EUR
Rentenversicherung: 306,16 EUR
Arbeitslosenversicherung: 64,62 EUR
Monatliches Nettogehalt: 1767,68 EUR 1600,00 EUR
Abzüglich
Miete (inkl. Umlagen/Strom): 500,00 EUR 0,00 EUR
Essen: 250,00 EUR 0,00 EUR
Auto (ohne AfA): 250,00 EUR 0,00 EUR
Versicherungen: 150,00 EUR 0,00 EUR
Sonstiges (Telefon etc.): 100,00 EUR 0,00 EUR
Summe: 1250,00 EUR 0,00 EUR
Verbleiben: 517,68 EUR 1600,00 EUR
(Quelle Gehaltsrechner: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/erfolggeld/special/126/44082/14/index.html)
Zusätzlich erhalten die Künstler von AFRIKA! AFRIKA! folgende, für sie kostenlose, vom Unternehmen getragene Leistungen pro Monat, die der „übliche“ sozialversicherungsabhängig Beschäftigte von seinem Monats-Nettolohn bezahlen muss:
Unterbringung: 185,00 EUR
Anteil Verpflegung: 169,00 EUR
(Warenkalkulation zu Einstandspreisen,
ohne Personalanteil und Abschreibungen etc.)
Kranken- u. Unfallversicherung: 30,00 EUR
Jobticket: 20,00 EUR
Wiederum zusätzlich übernimmt das Unternehmen anfallende Ausländersteuer in voller Höhe, Beiträge zur Künstlersozialkasse und hält weitere kostenlose Infrastrukturleistungen (Busshuttle, Physiotherapeut, kostenloses W-LAN, individuelle Künstlerbetreuung, komplette Abwicklung der Visa, Behördengänge etc.) vor.
Hier nochmal die Ãœberschrift:
Billiglöhne für die Artisten der Show “Afrika! Afrika!”?”
Ich habe hier schon an verschiedenen Stellen die Art und Weise, wie Der Spiegel arbeitet, kritisiert. Nochmal: Ich schreibe das hier nicht für die Firma meines Bruders. Aber ich meine, man sollte wenigstens die andere Seite zu Wort kommen lassen. Der Spiegel hat in seinem Printartikel (leider nicht online gestellt) keinen einzigen der Vorwürfe wirklich mit Fakten unterlegt. Es ist die typische Schreibe, die unterschwellig versucht, Meinung zu machen.
Es sei ein jeder eingeladen, sich hier an einer Diskussion zu beteiligen. Das gilt auch für solche Argumente, die die Sicht von Afrika-Afrika widerlegen. Aber dann bitte Fakten, Fakten, Fakten.