Der St. Martin-Skandal: Wenn sie halt vorher nicht so laut geschrien hätten

Es ist schon schlimm anzusehen, was ein kleiner Artikel in einer Lokal-Zeitung für Wellen schlagen kann. Jene, die sonst die Kollegen in den Lokalredaktionen belächeln, bekommen den üblichen Schaum vor dem Mund und schreiben ihre Leitartikel über etwas, von dem sie kaum wissen wo es geschieht. Die Taunus-Zeitung hat einen Fehler gemacht, nämlich eine alte Regel zu ernst genommen, nachdem man eine Geschichte nicht totrecherchieren sollte.

Der Autor, ein alter Hase, der etwa zur gleichen Zeit bei der TZ angefangen hat wie ich, hat dabei alle anderen Regeln vergessen: Nämlich zu schauen, ob die Geschichte stimmt, und ob sie trägt. Dass man in Lokalredaktionen nicht ahnt, welche Wellen so etwas schlagen kann ist verständlich. Wer immer wieder von oben gesagt bekommt, wie unwichtig man sei, denkt nicht mehr global (wobei viel Geld aus den Lokalredaktionen kommt, und vor allem die Leser Lokales lesen wollen und nicht den Agenturbrei der Zentralredaktion).

Fehler können passieren, und ich mache der TZ keinen Vorwurf. Ich nehme an dass man sich der Brisanz bewusst war, nicht aber der Tragweite. Man hätte auch eine Entschuldigung schreiben können (ich habe zumindest keine gefunden, nur einen Kommentar indem der Autor sich selbst noch feiert). Man beharrt auf der Richtigkeit, kann aber keine Erklärung geben, warum man den Skandal seit 1998 nicht als solchen gesehen hat. Vielleicht wollte man sich auch mal wieder dem rechten Klientel anbiedern.

Was schlimm ist, ist die Art und Weise wie jene, die Zwangsabgaben für ihr Geschreibsel haben wollen, mit dieser Geschichte umgegangen sind. Ganz vorne natürlich die Bild, die niederste Form des Schreibens, nichtmal das Wort Journalismus wert. Wer dort arbeitet, hat kaum eine Schulbildung gehabt und wenn, dann wohl nicht verstanden. Bild ist Hetze, das wissen wir. Aber auch andere, deren Verleger so laut das Wort Qualität gerufen haben, interessieren sich einen Dreck dafür.

Ich meine mich erinnern zu können dass die TZ schon einmal Eltern zu viel Gewicht gegeben hat. Damals ging es im sexuelle Belästigung in Kitas. Nichts war dran. Aber es machte halt Auflage. (Allerdings hatte auch die Staatsanwaltschaft mehr den Eltern zugehört als nach Fakten zu suchen).

Das Problem von Zeitungen ist immer noch, dass sie sich gottgleich sehen. Journalisten machen keine Fehler, Redaktionsleiter schon gar nicht, und Chefredakteure und Verleger sehen sich als unfehlbar an.

Wieder Demonstrationen in Thailand

Ich habe mal bewusst diese Überschrift gewählt weil ich ja möchte, dass der Artikel Interesse weckt. Es wird wieder demonstriert in Thailand, vor allem in Bangkok. Demos sind an sich nichts Besonderes hier, irgendwer hat immer was auszusetzen. Doch die kommenden Tage werden wohl etwas anders werden: es geht um das Amnestie-Gesetz. Damit sollen eine große Zahl möglicher Straftäter straffrei werden, die in den Tumulten seit 2004 beteiligt waren. Das betrifft die so genannten Red-Shirts die Kaufhäuser angezündet haben und der jetzigen Regierung nahe stehen, aber auch die Yellow-Shirts, die der Oppositon angehören und sowohl den Flughafen besetzt haben als auch die Redshirt-Proteste brutal niedergeschlagen haben. Man könnte meinen, alle kommen dabei gut weg, wenn nicht ein Teil des Gesetzes sich mit dem früheren Premierminister Thaksin beschäftigen würde. Der ist wegen Korruption und dubiose Landgeschäfte verurteilt worden und sitzt im selbstgewählten Exil in Dubai. Kritiker sagen, das Gesetz habe vor allem das Ziel, Thaksin die Rückkehr nach Thailand zu ermögliche und ihm das Geld zurückzugeben, dass die Gerichte beschlagnahmt haben. Hilfreich ist dass die jetzige Premierministerin Yingluck die Schwester Thaksins ist.

Wie sind die kommenden Proteste einzuordnen? In Thailand ist was die Politik angeht nur eines sicher: Man weiß nie was noch kommt. Sicher ist dass das Land tief gespalten ist. Die regierende Pad Theu Partei setzt vor allem auf die Bauern der ländlichen Regionen und stimmt sie mit großzügigen Geschenken milde – unter anderem Festpreise für Reis und Steuererleichterungen für Autos und Landkauf. Die Opposition hat ihre Wähler vor allem in der Mittelschicht der Städte.

Was man wissen muss, ist dass Thailands Politik der verlängerte Arm der Wirtschaft ist. Die meisten Politiker gehören den wenigen einflussreichen Familien an, denen die meisten und größten Firmen in Thailand gehören. Das ist übrigens auch das Rezept, warum Thailand trotz aller Widrigkeiten wie Coups, Tsunami und Proteste schnell wieder hochkam: Die Politik hatte ein Interesse die Geschäfte wieder in Gang zu bringen.

Noch ist die Basis auf der die Regierung steht, breit genug. Die Proteste der Opposition dürften die Reihen der Redshirts wieder schließen und Einigkeit herstellen, um gemeinsam den Gegner zu bekämpfen. Die Opposition hingegen hat es noch nicht geschafft, genügend Leute auf die Straße zu bringen. Zwar lehnen die meisten Thais ein Thaksin-Amnestie-Gesetz ab, das reicht aber noch nicht, um dafür auch zu demonstrieren.

Sorge machen könnte die übliche Strategie der Opposition, Druck auf die Regierung zu machen in dem man die Infrastruktur in Bangkok lahmlegt. Das ist schon mal gelungen mit der Blockade des Flughafens. Jetzt will man die Straßen der Innenstadt besetzen. Mal sehen, wie weit die Demonstranten gehen und ob die Geschäftsleute das lange mitmachen. Denn wenn das Geld ausgeht, um die Protester mit Lebensmitteln zu versorgen, dann sind die auch schnell wieder zu Hause.