Proteste in Bangkok ebben ab – aber für wie lange?

Ich war am Sonntag in der Innenstadt, um mir ein Bild von den Demonstrationen zu machen (man kann mehr dazu in meinem Podcast hören, und sah einige hundert am Victory Monument. Gestern und heute waren es wohl schon weniger, und trotzdem ließ sich die Armee dahingehend provozieren, die Demonstranten als bezahlte Protestler zu bezeichnen und vor allem ausländische Medien anzugehen.

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Nun ist es in der Tat so, dass im Gemenge der Demonstranten auch so genannte Red-Shirts, also Anhänger der gestürzten Pheu-Thai-Regierung sind, aber die Frage ist, wie groß der Anteil ist.

Heute wurde publikumswirksam im Foreign Correspondent Club der ehemalige Erziehungsminister Chaturon Chaisang festgenommen. Er war untergetaucht, sagte er wolle nicht der Armee Reporten sondern sich lieber festnehmen lassen. Das ist dann auch vor laufenden Kameras geschehen. Eine Begründung warum er aus seinem Versteck kam war übrigens interessant: Weil die Junta jetzt das so genannte Royal Endorsement hat, ist sie legalisiert.

Auch heute gab es wieder Festnahmen von Kritikern, andere wurden aber auch wieder frei gelassen. Es ist unklar, ob das der Einschüchterung dient, oder der Um-Erziehung, wie auf Twitter zu lesen war.
Das Eis für mich wird auch dünner, es wurde wiederholt von der Armee darauf hingewiesen, dass man keine Gerüchte streuen darf und bei Kommentaren aufpassen darf. Was das heißt liegt im Ermessen der Armee, Verstöße werden vor einem Militärgericht verhandelt.

So liest sich das dann offiziell:

In compliance with the National Council for Peace and Order (NCPO)’s instruction, Permanent Secretary for ICT Surachai Srisarakham stated that over 200 sites on the internet had thus far been terminated by the ICT Ministry due to inappropriate contents and tendency to stir up social conflicts. He affirmed that a constant watch would be kept over people’s use of the internet and social media by a newly-established committee, which was made up of officials from the ICT Ministry, the National Broadcasting and Telecommunications Commission, the Royal Thai Army and the Royal Thai Police.

The ICT Ministry has also drawn up the national internet gateway project, to be supervised by TOT and CAT Telecom, as a long-term measure to eradicate provocative online materials. The new project is believed to facilitate the inspection of suspicious websites and the blocking of viewers’ access to prohibited contents.

Wir haben immer noch eine Ausgangssperre von 10pm bis 5am, und CNN und BBC werden immer noch nicht übertragen. Übers Internet können aber beide Sender aufgerufen werden.

UPDATE Situation in Thailand 24.5.2014

UPDATE: Eben (19 Uhr Ortszeit Bangkok) hat die Junta auch noch den Senat aufgelöst, sie eine Art Oberhaus, dessen Mitglieder zur Hälfte ernannt werden und dessen Mehrheit eigentlich dem Militär und der Elite gewogen ist. Damit hat General Prayuth im Prinzip uneingeschränkte Macht: Er hat die Verfassung aufgelöst, es gibt kein Parlament, keinen Senat und er hat sich selbst zum Regierungschef ernannt. Wahrscheinlich war die aktuelle Maßnahme nötig, damit die Armee eigene Gesetze erlassen kann – sonst hätte man zumindest formal den Senat fragen müssen. Es scheint immer mehr, dass hier ein schon lange bis ins Detail ausgefertigter Plan ausgeführt wird. Unklar ist nur, werden ihn angefertigt hat.

Guten Morgen nach Deutschland. Die Lage in Thailand und vor allem in Bangkok ist ruhig. Es gab heute eine kleine Demonstration im Norden von Bangkok (gestern auch in Khon Kaen), die auch gleich von Soldaten und Polizei begleitet wurde. Bis zum Nachmittag meiner Zeit blieb es ruhig, es wurde aber wohl auch ein paar Wasserflaschen geworfen.

Derweil versucht die Armee weiterhin, Redshirts im ganzen Land in Gewahrsam zu nehmen. Ausserdem wurden weitere 30 Personen auf eine Liste gesetzt von Leuten, sie sich bei der Armee melden sollen. Sinn diese Festnahmen soll nach Aussagen eines Armeesprecher sein, ein Umdenken zu starten – was kaum der Fall sein dürfte. Die ehemalige Premierministerin ist noch immer in Armee-Gewahrsam, es ist unklar wie lange. Aus Kreisen ihre Bruders Thaksin wird verlautet, man überlege die Einrichtung einer Exilregierung – wie sinnvoll das ist wird sich zeigen.

Die Armee hat ein Organigram veröffentlicht, dass zeigt, dass eine Handvoll Generäle die wesentlichen Ministerien überwacht. Juntachef Prayuth Chan-ocha gilt als wahrscheinlicher Kandidat des Senats als Premierminister. Wenn man der Junta so zuhört was sie für Pläne hat, dann folgt sie exakt dem was Protestführer Suthep auch vorgeschlagen hat: Erst Reform, dann Wahlen. Sichergestellt werden soll vor alle, dass eine Regierung sehr stark von sogenannten unabhängigen Agenturen und Institutionen überwacht – man kann auch sagen eingeschränkt – werden soll. Details stehen noch aus.

CNN und BBC sind wie auch Deutsche Welle und TV5 abgeschaltet hier, aber die anderen – vor allem Unterhaltungs- und Sportkanäle – sind wieder on Air. Ich kann also heute Abend das Formel 1 Qualifying sehen. Das Internet funktioniert, es gibt Berichte dass einige Seiten von einigen ISPs geblockt sind, aber Thailand blockt ohnehin schon zehn Tausende von Seiten.

Die Ausgangssperre ist noch in Kraft, um 22 Uhr ist hier Feierabend – was uns nicht wirklich beeinträchtigt. Auch Touristen können sich bis 9 Uhr frei bewegen, sollten dann aber den Heimweg ins Hotel antreten. Nach 22 Uhr patrouillieren Polizei und Soldaten, die werden keinen erschießen, aber nachhaltig auffordern nach Hause zu gehen.

Coup in Thailand: Armee übernimmt Regierung

So jetzt ist es also doch passiert: Heute nachmittag hatte General Prayuth noch die Vertreter der beiden Lager sowie Wahlkommission und Regierung zu Gesprächen geladen, und mitten drin tauchten Soldaten auf, erklärten das Ganze für beendet, nahmen die Gesprächspartner in Gewahrsam und kurze Zeit später erschien Prayuth im TV und erklärte, die Streitkräfte haben die Regierungsgeschäfte übernommen.

Das ist natürlich in keiner Verfassung vorgesehen und ein Coup d’etat erster Klasse. Soldaten sind in der Stadt unterwegs, haben die Redshirts schon vertreiben und weitere Führer festgenommen, während man wohl mit der PDRC, den Regierungsgegner, die im Wesentlichen auf diesen Putsch hingearbeitet haben, glimpflicher umgeht.
Es ist eine Ausgangssperre verhängt worden von 22 Uhr bis 5 Uhr, und alle Thai TV Stationen sind abgeschaltet. Internationale Newsstationen wie BBC und CNN sind jetzt auch abgeschaltet, das Internet geht noch, mal sehen wie lange.

Die Verfassung ist ausser Kraft gesetzt, wie gerade verkündet wurde. Alle Institutionen sowie der Senat, die bislang als Gegner der Regierung galten, bleiben aber weiterhin in Amt.

Keiner weiß so recht wie es weitergeht. Der im Amt befindliche Premierminister Niwatthamrong Boonsongpaisan hatte wohl den Braten gerochen und war nicht zum Treffen im Army-Club erschienen, es heißt er sei an einem sicheren Ort.

Entscheidend wird sein, wie schnell die Armee die Macht wieder abgegeben wird und zu welchem Preis. Die Demokraten, die bislang jede Wahl verloren haben, sind sehr mit der Armee verbunden und es wird damit gerechnet, dass es eine Wahlreform geben wird. Die soll dann wohl sicherstellen, dass die Demokraten auch mal eine Chance haben (ja, das wollen die wirklich).

Die Lage ist sicher in Thailand soweit, vor allem in Bangkok. Kaum einer wird sich hier trauen, dem Militär gegenüberzutreten. Die Frage wird sein, wie es im Nordosten aussieht: Dort gibt es wohl Armeebatallions, die eher regierungstreu sind, und die Gegend ist die Hochburg der Redshirts und der Pheu Thai Party. Manche sehen einen Bürgerkrieg kommen zwischen der Landbevölkerung im Norden und Nordosten und der alten Elite in Bangkok und Mittelthailand. Doch bis dahin ist es noch lange hin, glaube ich. To be continued….

Zur aktuellen Lage in Thailand – tägliches Leben

Heute morgen habe ich nur mal die politische Situaton geschildert, aber wie wirkt sich der Notzustand aufs Leben hier aus? Ich bin noch bis morgen auf Koh Samui, und da merken wir gar nichts. Zwar sind in den Provinzen vereinzelt Soldaten auf Lastern gesehen worden, aber das beeinträchtigt nicht wirklich.

In Bangkok haben die Kontrollpunkte an Kreuzungen vor allem für noch mehr Verkehrsstaus gesorgt und die Bahn war heute morgen noch voller. Es gibt keine Ausgangssperre, und schon gar keine Schießereien. Eigentlich geht das Leben ganz normal weiter, nur dass die Thais jetzt wieder einen neuen Hintergrund – nämlich Soldaten im Jeep – haben für Selfies. Shoppung Malls sind offen und auch alle Sehenswürdigkeiten.

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De facto ist das Militär jetzt an der Macht, auch wenn die Regierung noch Statements abgibt. General Prayuth besteht darauf, dass es sein Job ist, beide Parteien an einem Tisch zu bekommen. Ob das gelingt, wird sich zeigen.

Wer derzeit einen Urlaub in Thailand plant, kann den ruhigen Gewissens antreten. Pressezensur gab es schon vorher und die Sicherheitslage ist eigentlich besser als zu Hochzeiten der Demonstrationen. Wovon ich dringend abrate ist zu den Lagern von UDD (Redshirts) oder PDRC (Regierungsgegner) zu gehen. Beide haben eine Miliz ,die nicht zu Späßen aufgelegt ist. Der normale Tourist wird dort aber ohnehin nicht vorbeikommen. Es bleibt spannend.

To be continued…. (man kann mir auch auf Twitter folgen @thomaswanhoff)

Militär schickt Soldaten in die Straßen von Bangkok

Heute morgen sind wir in Thailand von der Nachricht überrascht worden, dass das Miltär Soldaten in Bangkok positioniert hat. Es sei kein Coup wird gesagt, aber man hat Martial Law ausgerufen, was so eine Art Notzustand ist. Die Armee hat die Kontrolle über alle Sicherheitseinrichtung und Medien übernommen.

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Das Bild zeigt das Bulletin der Armee heute morgen auf allen freien TV-Sendern.

Ausserdem ist es verboten, Demonstrationen abzuhalten. Für die Redshirts und die PDRC bedeutet das, dass beide Lager zwar bleiben dürfen wo sie sind, sich aber nicht bewegen dürfen (also keine Umzüge). Weiterhin hat die Armee die Regierungsgebäude in Besitz genommen, die zuvor von Protestlern besetzt waren.

Die immer noch offiziel im Amt befindliche thailändische Regierung hat verlauten lassen, sie habe nichts von der Maßnahme gewusst. Man wolle die Situation jetzt analysieren. Die Armee bestätigte, nicht die Regierungsgeschäfte übernommen zu haben, sondern lediglich den Sicherheitsapparat.

Es scheint als ob die Armee keine Lösung der Konfrontation in naher Zukunft sah, dafür aber zunehmende Spannungen. Im äußeren Westen der Stadt haben sich mehrere tausend Redshirts versammelt, im Norden der Stadt die PDRC. Den Protestlern ist es nach wie vor nicht gelungen, die komplette Regierung aus dem Amt zu jagen, und man scheint in Armeekreisen befürchtet zu haben, dass die Aktionen militanter werden – auf beiden Seiten.

Es ist unwahrscheinlich, dass Redshirts oder PDRC Maßnahmen gegen die Armee unternehmen. Was unklar ist, ist wie die Reaktion im Nordosten des Landes sein wird, wo die Regierung die meisten Unterstützer hat.

Auch wenn die Bilder aus Bangkok mit den Soldaten und den Straßen gefährlich aussehen mögen, machen sie die Lage sicherer. Die Polizei hatte es bislang eher vermieden, für Sicherheits und Ordnung zu sorgen.

Eine Lösung des Problems ist nach wie vor nicht in Sicht. Solange Regierungsgegner im Alleingang die Macht übernehmen wollen, wird es keine Einigung geben . Die Frage wird sein, ob es der Armee gelingt, als Mediator wirken zu können, eine Rolle die sie bislang vermieden hat.

Hier noch die Einschränkungen:

– Take action against war or riots;

– Use arms to suppress unrest;

– Search, confiscate or occupy any premises or vehicles;

– Censor information;

– Block, search and control postal services;

– Activate the military court to judge on crimes within the area under martial law;

– Mobilise civilians to help the military;

– Procure resources such as vehicles or logistical materials to support military operations;

– Prohibit public gatherings, publications, broadcasting, transport,

communication, travel, the movement of people or any action that the Defence Ministry deems necessary;

– Enforce curfews;

– Destroy, remove or adjust any premise or location for the purpose of military operations;

– Arrest and detain suspects for a maximum of seven days.

– People are not entitled to any compensation for damage incurred during such military operations;

– Martial law can only be ended with a Royal Decree.

UPDATE Situation in Thailand

So, mal eine kurze Zusammenfassung wie die Lage hier in Thailand gerade ist. Nachdem Premierministerin Yingluck und ein Teil ihres Kabinetts ihren Job verloren haben (das Verfassungsgericht fand es nicht so gut, dass sie versucht, hat einem Verwandten einen hochrangigen Job zu verschaffen), versuchen Demokraten und alte Elite mit allen Mitteln die verbleibenden Minister und Parlamentarier loszuwerden, um dann die Regierung zu übernehmen. Sie wollen das halbwegs legal tun, deswegen brauchen sie die Mitarbeit der immer noch im Caretaker-Status befindlichen Regierung. Die hat natürlich wenig Lust, ihnen diesen Gefallen zu tun.

Herr Suthep zieht weiterhin mit seinem Mob durch die Stadt, besetzt hier ein Regierungsgebäude und macht dort dem amtierenden Premierminister soviel Angst, dass der ein Treffen mit der Wahlkommission verlässt, als Suthep vor der Tür steht.
Gestern Nacht hat es drei Tote und einige Verletzte gegeben, nachdem ein Unbekannter am Protestcamp auf Guards und Mob geschossen hat. Das wiederum nahm der Armeechef heute zum Anlass, daran zu erinnern, dass bei zuviel Gewalt die Armee für Ordnung sorgen muss (was man auch als Coup verstehen könnte.)

Ein Coup käme den Protestlern und Demokraten gelegen, weil sie dann erreicht haben was sie wollen, ohne verantwortlich zu sein. Genau das aber weiss die Armee und ziert sich deshalb. Die Redshirts, die Bodentruppen der Regierungspartei PT, haben sich um Westen der Stadt versammelt, ohne aber wirklich etwas zu tun dort, ausser Reden schwingen. Sie warten wohl darauf, dass ihre Regierung endgültig aus dem Amt gejagt wird.

Das Problem ist, dass keiner wirklich handeln will. Selbst Suthep kommt nicht wirklich weiter, auch wenn er schon mal seine Pressekonferenzen im Government Haus abhält. Aber da sitzen und tatsächlich regieren sind eben zwei paar Schuh.

Dummerweise wollen beide Parteien nicht miteinander reden. Es geht hier nicht um unterschiedliche politische Auffassungen, sondern um reine Macht. Partei verstehen sich hier nicht als Träger einer politischen Idee, sondern als Organisation, die ihren Führern zur Macht verhilft. Und deshalb gibt es auch keinen gemeinsamen Nenner.

Thailands Politik ist so irrational, dass es unmöglich ist vorherzusagen was passieren wird. Es gibt bestimmte Szenarien, aber die sind alle eher theoretisch. Wir werden sehen.