Der Neid auf Julian Assange

Ich habe in verschiedenen Blogs gelesen, dass ja eigentlich der Ruhm dem Informanten gehört, der die Cables Wikileaks zugespielat hat. Das ist richtig. Nur eben nicht alleine. Und das Schicksal des Informanten ist es, meist geheim zu bleiben, Dies jedoch Wikileaks vorzuwerfen oder gar Assange, ist Unsinn. Bob Woodward und Carl Bernstein hat auch niemand ernsthaft vorgeworfen, sich in der Tat des Informaten zu sonnen. Es bedarf für einen Scoop diese Größenordnung eben nicht nur einen mutigen Informanten, sondern auch jemanden, der bereit ist, das zu veröffentlichen. Wie man am Beispiel Assange sieht, ist das auch nicht ungefährlich. (Natürlich leidet Mannig, aber wenn Assange in der Nebenzelle sitzen würde würde das Mannings Situation auch nicht verbessern).

Ich habe eher das Gefühl, dass es heute kaum mehr möglich ist, ein Held zu sein. In der Zeit der Superlative muss der Held unfehlbar sein, auch wenn das gar nicht sein Anspruch ist. Assange will Regierungen den Spiegel vor die Nase halten und Ungerechtigkeiten aufdecken. Er will NICHT ein guter oder schlechter Liebhaber sein, zumindest nicht öffentlich. Die Anforderungen, die derzeit zwischen den Zeilen zu lesen sind, gehen weit über das hinaus, was ein Held zu leisten vermag.

Auf Twitter schrieb neulich jemand, wenn Assange Chinese wäre und chinesische Geheimnisse veröffentlicht hätte, hätte man ihn für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Das zeigt aber auch, dass die sogenannte Demokratie auf Sand gebaut ist. Immer mehr Staaten (Venezuela, Kambodscha, Ungarn in jüngster Zeit) verbieten per Gesetz Kritik an der Regierung, und in den USA ist das de facto auch schon der Fall. Es wird ein Gesetz aus dem Jahr 1917 herangezogen (Espionage Act), nach dem jeder amerikanische Verleger eigentlich ins Gefängnis gehört.

Die bis an die Grenze der Erträglichkeit unfähige amerikanische Regierung und Verwaltung versucht nun verzweifelt, den Berichtenden zu fangen, statt sich Gedanken zu machen, ob die Nachricht nicht vielleicht zum Nachdenken anregen sollte. Da ist es doch praktisch einen Ausländer zu haben, dem man auch noch eine Sexgeschichte anhängen kann und der nun Schuld ist an allem. Die Jagd auf Assange lenkt von der eigenen Unfähigkeit ab.

Die deutsche Regierung duckt sich mal wieder, wenn es um die Freiheit geht. Überraschender Weise scheint ausgerechnet der Innenminister der einzig helle Kopf im Kabinett Merkel zu sein. Die Liberalen kümmern sich um sich und ihre 3 Prozent, die SPD macht jeden Scheiss mit, um überhaupt noch was zu machen, die Grünen protestieren höchstens der Form halber, und die Rechte der CDU will am liebsten das Internet ganz abschalten, damit alles so ist wie früher.

Assange ist deshalb ein Held, weil er der westlichen Welt ihre eigene Verlogenheit vor Augen führt. Das, was der Westen von Ländern wie China fordert, ist er selbst nicht bereit, zu erfüllen. Die Grenzen der Redefreiheit werden auch im Westen immer enger, im Zweifel ist es die nationale Sicherheit, die bedroht ist, und damit kann man alles verbieten.

Dass deutsche Journalisten nun versuchen, am Bild des Helden zu kratzen, liegt am Neid derselben. Ich halte ohnehin nicht viel von den den Kollegen, die den Tag damit verbringen, Agenturmeldungen zu kopieren und ansonsten moralinsauer eine Welt kommentieren, von der sie immer weniger verstehen. Wer recherchiert denn noch eine Geschichte, wer versucht denn noch an geheime Dokumente heranzukommen? Warum den Aufstand machen wenn die Agenturen doch auch 200 Zeilen über Lena liefern.

Assange führt deshalb auch die westliche Presse vor. Spiegel, Guardian und Co. haben es gerade noch rechtzeitig erkannt und sind lieber auf den fahrenden Zug aufgesprungen als stehen zu bleiben. Der Rest muss sich nun rechtfertigen, und das klappt am besten, wenn man einfach Assange und Wikileaks versucht zu diskreditieren und sich staatsmännisch gibt, wenn man fordert, das Diplomatenpost geheim zu bleiben habe.

Niemand hat gefordert, dass Diplomatenpost nicht geheim sein soll. Wenn aber Staaten etwas anderes sagen als sie tun, wenn wie im Helikoptervideo gezeigt im Irak einfach mal so rumgeballert wird, dann darf das nicht geheim bleiben. Regierungen sind nicht der Staat und sie sie – zumindest in einer funktionierenden Demokratie – dem Bürger Rechenschaft schuldig. Und das bedeutet auch, auf unangenehme Fragen so zu antworten, dass der Fragesteller befriedigt ist.