Liebe Unterschichtler (und alle die es werden wollen) – eine Polemik

ich weiß ja um Frust und Unlust, wenn man seinen Job verloren hat (auch wenn ich das noch nicht selbst mitmachen musste). Ich kann auch Perspektivlosigkeit nachvollziehen. Und ich habe auch gelernt, dass man hier in Berlin ohnehin nicht so auf langfristige Lebensplanung und Karriere steht. Alles Dinge, die ich verstehen kann.

Aber, liebe Unterschichtler, das entschuldigt nicht alles. Man muss seine Hunde nicht in den Hof oder auf den Gehsteig scheissen lassen. Das hat nichts mit seiner Lebenssituation zu tun. Ich weiß auch nicht, ob man seinen Frust dadurch zu Ausdruck bringen muss, schon morgens mit Zigarette und Bierflasche rumzulaufen (und beides am Abend immer noch zu tun). Man kann sich bisweilen auch mal waschen und auch die Haare kämmen. Dafür reicht auch Hartz IV noch aus.

Denn, liebe Randgruppe, so kommt ihr nicht weg vom Rand. Urinieren kann man auch Zuhause, so teuer ist Wasser nicht (dann lieber mal ne kleine Spülung). Und auch der persketivloseste Mensch müsste sehen, dass rumliegender Müll einfach unschön ist.

Man kann sich natürlich als moderne Punks sehen und als Prekarianergarde seine Besitzstände bewachen – das Mäucherchen am Bahnhof, dass man den Taxifahreren abgerungen hat und von dem einen auch die Bundespolizei nicht vertreiben kann – zumindest nicht in Ostberlin.

Nur: Bringt das einen Ausweg? Verstehe wir Steuerzahler, die wir doch täglich eingetrichtert bekommen, ihr seid zu faul zum Arbeiten, Euch besser? Glaubt ihr so Eure Würde zu bewahren? Wird Euch das eine Chance bringen?

Nein. Und das wisst Ihr. Ihr habt Euch aufgeben. Dumm nur, das wir das sehen. Und Euch deswegen auch aufgeben. Was Eure Situation nur schlimmer macht.

Deswegen: Steht auf, lasst Euch nicht so gehen, bewahrt Eure Würde und gebt nicht denen Recht, die Euer Leben nur schwerer machen wollen. Das habt Ihr nämlich nicht verdient.

8 thoughts on “Liebe Unterschichtler (und alle die es werden wollen) – eine Polemik”

  1. Als nächstes bitte noch: liebe Oberschicht. Müsst ihr mit euren Jets und euren Hubschraubern ständig über unseren Dächern jaulen und knattern? Das stört bei der Arbeit und wir wären viel ergiebiger …

  2. Es mag verwundern, aber da wo ich herkomme (Königstein im Taunus), wohnen viele Reiche Leute. Und die haben sich tatsächlich beschwert, als der Polizeihubschrauber einen Räuber jagte (und über den Lärm der Feuerwehr-Wasserpumpen bei einem Hausbrand). Aber den Oberschichtler-Text wollte ich eigentlich erst morgen nachreichen.

  3. Einen Oberschichtlertext fänd’ ich schön. Leute, die auf ihrem Grundstück fremde Geräusche hinnehmen müssen, zähl ich aber nicht ganz dazu. All die, die für ihr Geld arbeiten und daher ihren Schlaf brauchen. Ich hatte die im Sinn, die ihre 80 Quadratkilometer im Bayerischen Wald mit dem Hubschrauber verlassen, um mal schnell eine eigens für sie geräumte Galerie in der Stadt anzusehen. Ich durfte neulich einen begleiten – und erst als er abflog merkte ich, wie laut das war.

  4. Na, Wanni, kann es sein, dass Du gerade einen kleinen Kulturschock erleidest? Einen kleinen Einbruch von Wirklichkeit? In der kleinen, heilen (??) Welt von Königstein im Taunus mag es das so nicht geben, auf der Zeil vielleicht auch nicht, weil diese Art von Prekariern hier wie dort mit unterschiedlichen Strategien gar nicht erst geduldet werden. Dennoch gibt es sie. Um das zu wissen, reicht es schon, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Sie für Ihre Existenz zu beschimpfen oder dafür, dass sie schon morgens saufen, was bringt das? Sag doch diesen Alkoholikern mal, dass sie das Saufen lassen sollen. Du könntest es ja schließlich auch. Wird ihnen sicher sofort einleuchten.

  5. Ei, deswegen habe ich Polemik geschrieben. Mir ist das schon klar. Nur bringt es auch nichts, sie zu bedauern. Mir geht es eben darum zu zeigen, wie sich der gemein Unterschichtler eben in der Öffentlichkeit zeigt und wir gar nicht wegsehen können. Es geht auch gar nicht so sehr um die paar Obdachlosen, die nehme ich gerne hin. Es geht darum, dass ich immer mehr verwahrloste Menschen sehe. Dass es früher mal ein NoNo war, mit einer Flasche Bier in der Hand in der Bahn zu sitzen, und heute das schon beim gemeinen Studenten schick ist.

  6. Hi Thomas,
    danke Dirk und danke Marius,
    ich bin gespannt auf die Oberschichten-Polemik. Aber kann man das bringen, wenn man nach Berlin kommt? Müsste man dazu nicht als Punk von Berlin nach … (setzt selbst was ein).

    Auch ich prognostiziere Dir den Kulturschock. Du vergisst dabei die ganzen Graustufen – klassischer Schockzustand. 😉 Das Alkohol nicht die Lösung ist, ist den meisten bekannt. Und doch ist es ein Problem. Versteh es als Krankheit und Du überstehst vielleicht Deinen Kulturschock. *prösterchen*

    Ich hoffe wir sehen uns denn mal. Vielleicht beim podcamp im Januar. Grüße.

  7. Lieber Thomas,
    ich sagte es ja bereits von Anfang an: Berlin ist eine Schande und ein eben solcher Fleck. Jetzt wird’s wieder hageln: Klar, der kommt ja auch aus München, der Snob. Aber sorry, Berlin ist unterirdisch…

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