Corsspost von meinem Reiseblog: Immer wieder gibt es Anbieter und Nachfrager in der Reisebranche, die ein authentisches Reiseerlebnis haben wollen. Mit authentisch ist wohl ursprünglich und unverstellt gemeint. Was aber ist ein unverstelltes Reiseerlebnis? Ich halte authentisches Reisen für kompletten Unsinn, und dies aus mehreren Gründen.
Zum einen sind wir Gäste in einem Land und werden als solche behandelt. Für Gäste räumt man auf, kocht was Ihnen schmeckt, ist besonders freundlich. So wie wir unser Haus putzen, wenn die Schwiegermutter zu Besuch kommt (auch wenn wir sie wirklich mögen). Wir wollen einen guten Eindruck machen. Das wollen Destinationen auch. Selbst ein Homestay in einer Hütte im Mekong-Delta ist nicht authentisch, weil wir das beste (meist einzige) Bett bekommen und das Gemüse drei Mal gewaschen wird, damit wir bloß keine Bakterien zu uns nehmen. Wir können per Definition nicht Authentizität erleben, weil wir nicht Teil des Ganzen sind.
Es gibt aber noch einen anderen, viel trifftigeren Grund: Ursprünglich meint für uns immer auch ein wenig “wie früher”. Das ursprüngliche Vietnam ist das der Reisbauern, das ursprüngliche Kambodscha das von Mönchen und – auch Reisbauern. Das ursprüngliche Laos ist das von Arbeitselefanten und Opiumfarmern? Wir definieren selbst, was wir sehen wollen. Welcher Tourist geht gerne zu einer lokalen Karaoke in Asien, das wohl authetischste Erlebnis überhaupt. Ein authentisches Essen in Asien ist nicht eine Spezialität des Landes wie Fish Amok, Frühlingsrollen oder Luang Prabang Wurst. Es ist eine Schale Reis mit ein wenig Gemüse und ein fingerlanges und -breites Stück getrockneten Fisch. Bei besonderen Anlässen auch mal Fleisch. Gegessen wird auf dem Boden, wer hat, der legt eine Matte aus, manche haben nicht einmal diese. Wer diese Authentizität bewahren will, nimmt damit in Kauf, dass er Armut bewahren will.
Unser verzerrtes Klischee von anderen Kulturen bewirkt letztlich, dass wir Ihnen keine Entwicklung zugestehen. ein Burger bei Lotteria in Vietnam ist authentisch, weil es eben eine lokale Umsetzung moderner Lebensweise ist. So wie wir in Deutschland nicht jeden Tag Schweinshaxe essen, lustige Tänze aufführen und in Lederhosen herumlaufen haben auch Entwicklungsländer ein Recht auf Entwicklung.
Im übrigen bedeudet das auch, dass ein 500 Zimmer Hotel im Mekong Delta jenen eine Einkommensmöglichkeit gibt, die als Fischfarmer wegen des Klimawandels kaum noch überleben können.