Category Archives: Journalismus

Medienrauschen will Diekmann weghaben

und zwar wegen der Seehofer-Story. Mal abgesehen davon, dass untreue Politiker eigentlich wirklich keinen mehr interessieren, stellt sich die Frage, ob Bild sich hat instrumentalisieren lassen oder einfach glaubte, das sei eine gute Story. Es spricht vieles für ersteres, was es auch nicht besser macht. Denn das ist so offensichtlich, dass es auch Stoiber direkt zurückfällt (was wiederum ein Motiv gewesen sein könnte: Man sagt der CSU-Führung, man tue ihr den Gefallen mit der Story wohlwissend, wass die politische Journalie am nächsten Tag schreibt, dass Stoiber dahinter steckt). Wie auch immer ist die Story schwach, aber mehr dahinter.

Disclaimer: Ich arbeite im gleichen Konzern, in dem auch die Bild erscheint.

Warum sich Medien Blogger und Podcaster einkaufen

sagt Bernt von zur Mühlen im Medienboten;:

Heute scheint in den Führungsetagen der Draht zum Mediennutzer gekappt zu sein. Ob es die zugekauften Blogger, Podcaster und andere Scouts in den Medienhäusern schaffen, ganz am Anfang der Wertschöpfungskette tätig zu werden und zu Produktgründern werden, ist offen. Denn einen Scout sich irgendwo unten in der Hierarchie zu halten oder ihm gleich einen CEO-Job für Internetprojekte zu geben, ist ein Unterschied.

Die Zukunft der Nachrichten im Internet

“Ich habe die Zukunft der Nachrichten im Internet gesehen und ihr Name ist Daylife,” schreibt Thomas Knüwer und bekommt gleich Schelte in den Kommentaren.

Zunächst: Was ist Daylife? Es ist eine Nachrichtenplattform, in der verschiedene Quellen zusammenlaufen. Optisch ganz nett zwonullig gestaltet. Unter Cover sie großen Coverstories, ganz nett mit großem Bild angeteasert, unter Top Stories der übliche amerikanische Fokus auf die Weltthemen.

In “My World” lassen sich Artikel bookmarken (mit Sternchen wie beim Google Reader). Und überhaupt: Es sieht mir schon aus wie Google-News, ähnliches Prinzip. etwas interaktiver, aber auch nur etwas.

Mein Test: Nachrichten zu Berlin:
EU leaders seek Middle East Quartet meeting
German cinema breaks new ground with a laugh at Hitler in the bath
Protests greet first new mosque in former East Berlin (5 days ago)

Ok, so sieht die englischsprachige Welt eben Berlin.

Dann die Top-Stories:
14 Survivors From Indonesian Ferry Found
Democrats warn Bush on Iraq plans
Polish Archbishop Resigns Amid Spy Scandal

Aber keine Videos 🙁

Kein RSS, keine Kommentare, eine Tagcloud wohl nur in MyWorld.

Hmm, das neue Internet ist das nicht, auch nicht die Zukunft der Nachrichten, weil Video und Audio fehlen.

Das ist übrigens der Fehler, der auch noch so online-affinen Journalisten passiert, die in Blogs schreiben: Sie reduzieren Nachrichten auf Text, höchstens noch Bild. Das könnte langfristig ein Fehler werden, denn schauen ist einfacher als lesen (nein, Riebels Gesetz gilt auch fürs Internet, dennoch darf ich eben nicht den Fehler machen, nur in einem Medium – Text – zu denken…)

Zusammengeschrieben

Was die NZZ zum Thema Schwarmintelligenz schreibt, zeigt den Niedergang des Journalismus: Keine Eigeninitiative geschweige denn Recherche, aus in den vergangenen Tagen veröffentlichen Nachrichten was zusammengestückelt. Hauptsache, auch was haben zum Thema Web 2.0.

Liebe NZZ, ich schätze Euch wirklich,warum bitte veröffentlicht ihr einfach mal nichts, wenn ihr nichts Neues habt zum Thema?

Journalismus in Zeiten des Web

Telepolis lässt sich drüber aus. Schön dieser Absatz:

Außerdem ist immer mehr Tempo angesagt: Es geht im Web nur noch um schnelle Tickermeldungen, die Hits bringen. Die einmalige Chance, gerade online keine Platzprobleme, keine Zwänge, Texte auf fixe Seitenzahlen zurechtstutzen zu müssen, zu haben und den Text genau so bringen zu können, wie er vom Autor geschrieben wurde, wird nicht mehr genutzt: Drei kurze Texte oder Fotostrecken bringen mehr Klicks und damit Werbeeinnahmen als ein langer Text, auch wenn letzterer den Leser mehr fesselt und wiederkommen lässt. Es ist also nur noch ein Wettrennen, wer Agenturmeldungen am schnellsten auf seine Seite kopiert. Wer eigene Texte schreibt, ist bereits im Hintertreffen; wer nachrecherchiert, ebenfalls. Und jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben.

Ich denke, das ist die Übergangsphase. Denn tatsächlich hinken die Onlinezahlen denen von Print noch weitgehend hinterher. Es liest kaum einer die langen Texte im Internet. Das ist das Problem derzeit, denke ich. (Deshalb sind Podcasts ja so praktisch)

Journalisten und Blogger

Erst wenn die Agentur etwas schreibt, ist es wirklich passiert. Hat gerade wieder Alexander Svensson rausgefunden:

1. Eine Welt.de/AFP-Meldung vom 22.12.2006: »Der Marketing-Gag einer amerikanischen Textilfirma sorgt in Frankreich für Furore. ›Tom Bihn‹ entschuldigt sich auf den Etiketten ihrer französischen Kollektion für ihr Regierungsoberhaupt.«
2. Der erste Google-Treffer für »tom bihn washing message«: Eine Seite auf Snopes.com über das Bihn-Etikett. Enthält das Foto aus der Meldung und wurde zuletzt am 10. Juni 2004 aktualisiert. (Der Blogeintrag, aus dem das Foto stammt, wurde am 25. März 2004 veröffentlicht. Als der Bundespräsident noch Johannes Rau hieß.)

Universal mag das Internet nicht (und schon gar nicht Leute die da schreiben)

Mein Gott, einigen Großen geht der Arsch wohl auf Grundeis.
Eben bei Medienrauschen gefunden (es geht um eine akkreditierung für den Verteiler bei Universal)::

Lest selbst, was ich heute als Antwort bekommen habe.

vielen Dank für Ihre Akkreditierung.
Leider dürfen wir auf Weisung von Universal International keine Online-Medien mehr in unserem Verteiler aufnehmen, die nicht an einem Print- oder TV-Titel gebunden sind.
Es tut uns leid, dass wir Ihnen nicht weiterhelfen können.

Tja Leute, ihr wollte Euren Content nicht verkaufen, ihr wollt auch die Leute im Internet gar nicht mehr informieren was ihr macht. Am besten löscht ihr Eure Webseiten und verkauft nur noch DVDs. Nur: An wen?

Qualitätsjournalismus: Boocompany wird beim Handelsblatt fündig, Plazeboalarm bei der FAZ/dpa

Boocompany (kein Medienunternehmen, ein Blog) schaut sich das Handelsblatt (Printzeitung, old Journalismus) an und wird prompt fündig:

Das Handelsblatt berichtet heute über das einstmals als Wunderpille angekündigte Medikament “Acomplia”, mit dem Sanofi-Aventis Milliardenumsätze anpeilt. Ein Herr Andreas Pfeiffer kommt in dem Artikel mehrfach zu Wort: “[…] dann ist Acomplia eine sehr viel versprechende therapeutische Option, so Pfeiffer. Aber wer ist eigentlich Andreas Pfeiffer?
Erst nachdem Herr Pfeiffer in dem Artikel bereits zweimal zitiert wurde, kommt die scheinbare Auflösung des Rätsels: Er ist Ernährungsmediziner von der Berliner Charité.
Aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Soll der Handelsblatt-Leser doch selber recherchieren.
Na denn: Der Herr Professor Andreas Pfeiffer hat je nach Quelle die in Deutschland von Sanofi-Aventis finanzierte und durchgeführte Acomplia-Studie koordiniert, durchgeführt oder betreut. Dafür hat er vermutlich eine sehr beachtliche Stange Geld von Sanofi-Aventis erhalten.

Einzelfall? Nö. auch dpa ist bei sowas nicht eben zimperlich, wenn es um Studien und Genauigkeit geht. Dafür haben wir die Seite Plazeboalarm.de

Die haben sich die FAZ angeschaut, die wiederum – wie die meisten Medien – nur Agenturberichte umrühren, aufwärmen und dann als Selbstgekocht auf den Tisch stellen.

In einem Artikel in der Fachzeitschrift The Lancet berichten Forscher darüber, dass selektive-Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), eine wichtige Gruppe von Antidepressiva, den Samenerguss von unter einer Minute auf über drei Minuten herauszögern können.

Dieser Artikel wird dann von dpa übernommen.

In dem F.A.Z./dpa-Artikel ist die eigentliche Meldung, dass SSRI den Samenerguss herauszögern können. Das ist aber gar nichts Neues. Im New Scientist-Artikel erfährt man, dass andere SSRI den Orgasmus sogar weiter herauszögern als das getestete Mittel

Und schließlich: Was im F.A.Z./dpa-Artikel völlig fehlt ist der Hinweis, auf den man nur kommt, wenn man statt der deutschen Zusammenfassung einen Blick auf das Original-Paper wirft (an das man als Journalist leicht kommt).
Dort geben die Autoren nämlich am Ende des Artikels ihre “conflicting interests” an, also ihre Interessenskonflikte, die das Ergebnis der Studie beeinflussen könnten.
Dort erfährt man, dass die Autoren alle irgendwie mit der Pharmafirma ALZA verbandelt sind, einer Johnson & Johnson-Tochter. Entweder sind sie Angestellte oder Stipendien-Empfänger oder im Berater-Gremium von ALZA, oder Berater von Johnson & Johnson.

Also: djv und andere, immer schön locker bleiben, wenn es um die Blogger-Schimpfe geht. Man bekommt nämlich gerade den Eindruck, als ob manche Journalistenvertreter in einer Welt leben, in der es keine PR gibt, in der sie täglich den Bundeskanzler stürzen und die Anzeigenkunden darum betteln, ihre Produkte gegen gang viel Geld bewerben zu dürfen.

“…going away from a print-centric approach”

“The fundamental thing is going away from a print-centric approach with a few digital add-ons round the edges into having something which is print, mobile, web, with video journalism and podcasting thrown in as well, where print is still at the middle and probably will be for quite a while yet. Although, the emphasis is shifting, it’s becoming a much more evenly mixed approach”.

Sag ich’s nicht immer?

Via Journalism.co.uk

Wenn die Polizei macht, was die NPD will

Ich hab heute wieder mal den Glauben an den deutschen Rechtsstaat verloren. Ich habe Fotos von einer NPD-Demo gemacht. Als ich wieder wegging – zur Gegendemo – werde ich plötzlich von der Polizei aufgehalten. Soll heißen: Plötzlich stoppt ein Polizeibus, drei Mann springen raus, rufen “Bleiben Sie stehen!” Mir wird vorgeworfen, jemanden geschlagen zu haben. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Ständig waren hunderte Polizisten um mich herum. Auf dem Weg zum Polizeiauto kommt ein junger NPDler dazu. Der Polizist fragt ihn, wer denn nun geschlagen worden sei. “Geschlagen? Keiner, aber der Typ hat Fotos gemacht, Portraitfotos, das darf er nicht”, sagt der Mann. Ich frage den Polizisten, warum – nur weil ich Fotos mache – die Polizei mich aufgreift. Der Polizist sagt: “Der Mann hatte mir gesagt, der da oben läuft, halten sie den fest.” Und das hat die Polizei dann getan.

Sie nahmen meine Personalien auf und gaben sie dem Anwalt der NPD, der mir gleich mit juristischen Schritten drohte – unter anderem einer Abmahnung, wenn ich den Namen seiner Kanzlei nenne. Soweit sind wir schon: Ich darf nicht einmal den Namen nennen. Außerdem will er mir verbieten, Fotos der NPD-Schergen zu veröffentlichen. Nun kann er dass, wenn es um reine Portraitfotos geht. Nicht aber um solche von der Demo. Und die stehen gleich an mehrerern Orten – bei der Frankfurter Neuen Presse und bei Flickr (laden gerade noch hoch).

Ich denke, nur Öffentlichkeit bringt Bewusstsein. Wer demonstrieren will, muss sich zeigen – und wird gesehen. Die Nazis sind nicht eine abstrakte Gruppe, es sind Menschen, die vielleicht neben uns wohnen. Dort sollten wir ihnen entgegegen stehen.

Das ist auch ein Grund warum ich das schreibe: Denn die Polizei hat der NPD meine Personalien gegeben. Ob sie das durften? Keine Ahnung. Sie haben es getan. Der Polizist ist mir aber namentlich bekannt. Nur mal so als Schutz, sollte meinem Auto plötzlich mal die Luft aus den Reifen weichen.

Now you know what I did last weekend

180 freie Journalistinnen und Journalisten aus ganz Deutschland kamen an diesem Wochenende zur DJV-Fachtagung „Frei? Aber sicher!“ nach Potsdam. In zahlreichen Workshops und Plenumsveranstaltungen suchten sie anderthalb Tage nach Trends und Chancen auf dem Markt der Freien.

Die Bedeutung des Internets zur Vermarktung des freien Journaliste wie auch zur Diskussion und zur Themenfindung schilderte Thomas
Wanhoff. Er zeigte in seinem Workshop die wachsende Bedeutung von Weblogs bei der Suche nach neuen Themen, aber auch nach
Ansprechpartnern. „Wer häufig in Weblogs sucht, bekommt schnell ein Gespür dafür, wo die Trennlinie zwischen seriösen Informationen und verrückten Einträgen verläuft“, berichtete Wanhoff.

Der ganze Text beim DJV

NZZ und die State of the Blogosphere

So ganz neu in den Argumenten ist der NZZ-Artikel nicht, gleichwohl bedarf er Widerworte, vor allem wegen dieses Absatzes und es nachfolgenden kommentierenden Satzes:

Solche Euphorie verdient erhebliche Skepsis. Bereits die Zahlenangaben sind nicht sehr verlässlich. Laut einer Umfrage im Auftrag des Magazins «Focus» (Basis: 1010 Befragte) soll es in Deutschland 4 Millionen Blogger geben. Das ist sicher reine Phantasie.

Nötig ist allerdings eine Marktbereinigung in der Blogo-Sphäre, die die Grenzlinie zwischen bloss privater Äusserung und der Inszenierung einer Gemeinschaftskommunikation einerseits sowie der Wahrnehmung einer öffentlich bedeutsamen Rolle anderseits klarer erkennbar macht. Das bedeutet, dass die kommunikativen Verkehrsformen zivilisierter werden müssen. Wenn das die Blogger-Szene nicht selber regelt, werden das früher oder später die Gerichte tun.

Marktbereinigung? Gerichte? Lieber Heribert Seifert, das ist keine Frage der Marktbereinigung. Da müssen sie mal ihre eigene Argumentation anschauen. Entweder ein Blog hat keine oder nur wenig Leser, dann dürfte auch die darin enthaltenen Beschimpfungen “nicht relevant” sein. Ist es aber doch relevant, was ein Blogger sagt, dann stürzt Ihr Artikel ein wie ein Kartenhaus. Dann ist es nämlich eine neue Publikationsform. Bild, Coupè und Super Illu sind wahrscheinlich auch nicht der Traum ihrer journalistischen Maßstäbe, haben aber bislang auch jede Marktbereinigung überstanden.

Blogs sind der Spiegel der Gesellschaft. Es gibt Regeln für beide Bereiche. So wie es unter den 6 Milliarden Menschen auf der Erde manches schwierige Exemplare gibt, gibt es die auch in der Blogsphäre. Brauchen wir neue Gesetze aka Verkehrsformen, weil irgendwelche Trolle Schwachsinn reden? Nein, die haben wir zum einen (Gerichte, ja), zum anderen können wir aber vielleicht gerade durch die Blogs lernen, erst einmal miteinander zu reden? Das ist gerade bei Unternehmen nötig, die ihre Kunden imerm noch lieber abmahnen, wenn sie sich öffentlioch beschweren, als man nachzufragen, wo das Problem ist. ich werde das Gefühl nicht los, das gerade Vertreter der etablierten Medien laut nach Gerichten schreiben, weil sie sich imerm noch als Gatekeeper/Gralshüter von Informationen verstehen.