In der Readers Edition – dem Bürgerblog der Netzeitung – hat ein Autor namens Mediaocean zum Thema “User Generated Content” und Bürgerjournalismus geschrieben. Das ist zum einen deshlab interessant, weil sie die RE ja als sochen bezeichnet, zum andern aber, weil es diese wichtige Diskussion weiterführt, nämlich wie sehr der Bürger als Journalist tätig wird.
Es stellt sich nämlich immer noch die spannende Frage, wo der User im Geschäftsmodell Medien ansetzt. Wie ich hier schon geschrieben habe, wir die Rolle des Users aufs Kommentieren beschränkt bleiben, weil das erst dem Sinn gerecht wird, bestehende Artikel weiterzuführen und zu ergänzen, gerne auch zu diskutieren.
Zitat aus dem RE-Artikel:
Eines der Hauptprobleme von Leser-Content dürfte aus Sicht der Profis darin liegen, dass es sich dabei in den meisten Fällen um Meinungen und Kommentierungen handelt, meist nur aus einer Perspektive geschrieben…Dass die interaktive Öffnung des klassischen Journalismus in Richtung einer besseren Leserbeteiligung gerade für die regionalen Zeitungshäuser aber auch bei den Onlineangeboten anderer Medienhäuser eine entscheidende Rolle spielen wird (eigentlich schon längst sollte) ist meiner Meinung nach kaum von der Hand zu weisen.
Genau das ist es: Harte Facts liefern eben die Reporter und Agenturen schneller und besser als der gemeine User. (Im übrigen entbehrt obiges Zitat nicht einer gewissen Ironie…)
Und weiter:
Dass sich diese netzwerkartige Meinungspublizistik nicht in die etablierten Muster des Journalismus pressen lässt, liegt nahe, aber in der meinungsbetonten Diskussionkultur der Blogosphäre liegt genau das Potential, das für den professionellen Journalismus von Interesse sein müsste: Die Vielfalt der Meinungen gewährleistet eine höhere Optionalität bei der Wahl und Einordnung der eigenen Perspektive und Meinungsbildung, was dann eben auch eine Bereichungerung für die journalistische Berichterstattung darstellen sollte.
Eine der Erfolgsrezepte von (politischen) Medien ist, dass sie eine Meinungslinie verfolgen, dass der Leser weiß, in welchem Umfeld er sich bewegt. Die Vielfalt der Blogs könnte da eher kontraproduktiv sein – im übrigen kann ich da weniger eine Meinungsvielfalt sondern eher Einheit sehen – meist referenzieren sich A-Blogger selbst oder verlinken sich statt die Hauptquelle. Man möge einmal schauen, wie der Stern-Artikel zu den Kosten des Angie-Podcasts in der Blogsphere verlinkt wurde (“hab ich bei Johnny gelesen”..”Update: Das original war beim Stern” sagt doch schon alles).
Der Schluss, zu dem mediaocean kommt, gefällt mir, auch wenn es natürlich die Readers Edition selbst rechtfertigt:
Bürgerjournalismus, verstanden als Verbindung von professionellem Journalismus und vernetzter Meinungspublizistik, kann deswegen auch nur moderiert funktionieren.Das Ideal, dass Millionen von Menschen plötzlich nach journalistischen Qualitäts- und Relevanzkriterien schreiben, und so ein ideal-demokratischer öffentlicher Raum entsteht, ist unerreichbar.
Das hat dann aber nichts mehr mit User-Generated-Content zu tun, sondern ist eine moderne Form der Leserbriefe.
Es drängt mich zu einem Einwurf zu Ihrem .. ‚wird die Rolle des Users aufs kommentieren beschränkt bleiben’ …
Unter der Voraussetzung, dass es sich hier um die Rolle User/Journalist (für das/sein Journal schreibend) handelt, sehe ich das ganz anders.
Der User ist im Regelfall näher dran, weiß in seinem Umfeld besser Bescheid und ist in seinem Themenbereich (oft) Profi, oft gebildeter und erfahrener als der Profi-Journalist in den meisten Themenbereichen des Lebens (über die er schreiben muss) ist und sein kann.
Dem User fehlt auf der anderen Seite die Ausbildung als Schreiber, als Journalist … daher ist die ‘vornehmste’ Aufgabe solcher gemeinsamer Projekte, dass die Profis Qualifizierung und Weiterbildung anbieten, Beratung und Unterstützung anbieten, Artikel zu ergänzen, zu redigieren und zu diskutieren. (OhmyNews tut das seit Beginn erfolgreich – der Gründer kommt aus dem Profi-Journalismus, und Reuters hat diese Zielrichtung bei Global Voices, u.v.a.m)
Vielleicht haben die meisten Zeitungsverlage oder Newsportale noch kein ‘Geschäftsmodell’ gedacht, das bedeutet aber nicht, dass sich kein brauchbares und profitables entwickeln lässt.
Aus meiner Zeit im Bereich Fachmedien und Spezial Interest weiß ich, dass die meisten Titel ohne ihre Leser/Schreiber Spezialisten nicht sehr weit kommen würden und die Redaktionen und Verlage haben sich darauf eingestellt und lebten lange gut damit. Die Fachredaktionen sind deswegen nicht arbeitslos, … (und wir wissen auch, dass wenn die Leser/Schreiber ihre Zeitschriften nicht mehr lesen, dann schreiben sie auch nicht mehr … es sei denn die Firma bezahlt sie fürs Schreiben.)
Auch bei den Buchverlagen kann man abschauen, dass es auch andere Modelle als den angestellten oder den “studierten” Autoren gibt um hochwertige (und verkaufbare) Inhalte zu generieren. Und trotzdem gibt es genügend Arbeit für die Lektoren, und die meisten Autoren (und die Leser) sind sehr dankbar für die Unterstützung durch professionelle Lektoren, Korrektoren, usw..
Es wird dem Thema meines Erachtens auch nicht gerecht Bürger-Journalismus in die Ecke Blogs zu stellen und Profi-Journalismus als Qualitäts-Newsprint und Newsportale zu charakterisieren. Bürger-Journalismus kann (und sollte) viel breiter angedacht sein, in Portalen, Communities, Magazinen, usw. in allen bewährten journalistischen Formaten. Blogs sind dabei nur ein noch sehr unscharfes, fassettenreiches Format mit unterschiedlichster Zielsetzung und Ausformung.
User-generierter Content ist sicher mehr als moderne ‘Leserbriefe’ auch wenn es, wie bei Comment is free (Guardian) mal eben 50.000 in 3 Monaten sind.
Wenn man klassischen Journalismus mit dem vergleicht, was die einen Usercontent und die anderen Bürgerjournalismus nennen, darf man m. E. nicht den Fehler machen, als Referenz des “echten” Journalismus nur die Protagonisten aus der ersten Reihe zu betrachten.
Wenn ich mir heute eine durchschnittliche Regionalzeitung anschaue, sehe ich eigentlich nur einen ausschließlich aus Agenturmaterial zusammenkomponierten Politik-Teil, ein bißchen Lokalsport (zugeliefert nicht selten aus den Vereinen selbst oder von freien Mitarbeitern, die den Aktiven sehr nahestehen) und ein paar Berichte über das Regionalgeschehen in Politik und Wirtschaft.
Was viele als Kern klassisch-journalistischer Arbeit sehen, also Recherchen, Interviews, Berichte aus erster Hand, erschöpft sich nicht selten in ein oder zwei kurzen Artikeln zur letzten Bauausschuss-Sitzung oder dem boulevardesken Bericht über den Tag im örtlichen Amtsgericht.
Darin liegt m. E. die eigentliche Gefahr, die den klassischen Medien aus der Richtung droht, die mal “Web 2.0” und dann wieder “Bürgerjournalismus” heißt: Harte Facts liefern fast nur noch die Agenturen, Analyse und Meinung können die Neuen Medien auch oder besser verbreiten.
@Niels: Die Regionalzeitung nimmt auch deshalb Agenturmaterial in ihrem Mantel, weil sie eigene Korrespondenten nicht bezahlen kann. Und was die lokale Berichterstattung angeht: Da wird es spannend mit dem User-Content. Der Lokaljournalist sitzt nämlich vier Stunden in der Ausschusssitzung und versucht, eine neutrale Position einzuehmen, um einen Bericht darüber zu schreiben. Das wird der User nicht machen (müssen), und dann haben wir ein Problem. Genau deshalb sehe ich den Bürgerjournalismus als eine durchaus sinnvolle Ergänzung, aber ich halte es nicht für möglich, Berichterstattung darauf aufzubauen.
@Hugo E. Martin
Zum Satz: “Dem User fehlt auf der anderen Seite die Ausbildung als Schreiber, als Journalist”. Nicht nur das, es fehlt ihm gewiss auch die Motivation. Der Journalist muss tagaus, tagein berichten, der User sucht es sich aus. Der Journalist muss auch über Themen neutral berichten, wenn es ihm nicht passt – der User kann das ignorieren.
Das Beispiel Guardian würde ich relativieren – er bedient sich da sicherlich der englischsprachigen hochaktiven Community. Auch wir bei der Frankfurter Neuen Presse freuen uns über die steigende Anzahl von Onlinekommentaren – allerdings würde wir nicht den Leser dazu auffordern, gleich den Artikel zu schreiben.
Mich interessieren die Geschäftsmodelle dahinter: Wenn Informationen (jetzt mal als Ãœberbegriff) von Freizeit (nicht Hobby)-Schreibern verfasst werden, welche Aufgabe werden dann (Print)-Medien noch haben? Bin ich dann technischer Redakteur, der schaut, ob die Tags richtig gesetzt werden. Oder veröffentlicht jeder selbst – und ich mach den Laden zu?
Meine Antwort: Journalisten und Verlage sollen Blogs und ähnliche Dinge als Möglichkeit verstehen, selbst diese Instrumente zu nutzen, Werbung darin zu schalten und Geld zu verdienen.
Und Blogger sollen gerne – wie ich auch – selbst publizieren. Aber irgendwann müssen wir auch mal an den Leser denken: Und der wird nicht immer nur Suchbegriffe bei Google eingeben oder schauen, welche Nachricht gediggt wird. Der will irgendwann seien kompakte Zusammenfassung haben. Und die können klassische Medien am besten liefern. Sie müssen nur die Instrumente wechseln und die Chance nutzen.
Das ist ein spannendes Feld, über das zu diskuteren schon deshalb Spaß macht, weil keiner so richtig weiß, was passieren wird.
Lassen Sie als “Motivation” nur “muss damit seine Brötchen verdienen” zu? … Gibt es, wenn man nicht gerade Hunger hat nicht noch andere ‘Motivationen’?
Ich habe schon viel von Nicht-(Profi-)Journalisten geschriebene Beiträge und Formate gesehen: Kommentare, Rezensionen, Meldungen, Nachrichten, Berichte, Reportagen, Interviews, Porträts, Essays und Glossen, bei denen ich denen ich den ‘ausgebildeten Journalisten’ nicht vermisst habe …
Natürlich gibt es auch andere Motivationen, ich selbst bin ein lebendes Beispiel dafür. Nur: Darum geht es mir nicht. Es geht mir in der Tat ums Geld: Denn wenn ein Verlag einen Beitrag veröffentlicht, dann soll der auch bezahlt werden. Welchen Ausbildungsstand der Schreiber hat, ist dabei natürlich egal – der Inhalt zählt. (Ich habe selbst kein Volontariat!) Aber: Zeitungen verkaufen eben nicht nur Kommentare, sondern zunächst kommt mal die Pflicht. Und die ist langweilige tägliche Muss-Berichterstattung. Und ich glaube, dafür fehlt dann schon die Motivation,wenn es denn kein Geld ist. (das sieht man übrigens sehr schön bei Wiki-News,die im wesentlichen Agenturmeldungen umschreiben)
Natürlich tragen Blogs und Co. zur Meinungsvielfalt bei, das ist auch gut so. Aber ich sehe darin eben nur die Ergänzung und nicht den “Mainstream” der Berichterstattung. Zumindest fehlt mir da noch das Konzept für. Aber eigentlich, Herr Martin, sind wir gar nicht weit auseinander, wir kommen nur aus unterschiedlichen Richtungen aufs Ziel zu.
Noch ein Nachtrag: http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/306/78228/3/ beleuchtet das Thema und spricht mir aus der Seele.